Wohnraum ist knapp und die Lösung lautet vielerorts: Bauen! Bauen! Bauen! Aber ist das immer die richtige Lösung? Sicher, mehr neue Wohngebäude würden zahlenmäßig heute dem hohen Bedarf an Wohnraum helfen, aber auch heute schon fehlt vor allem „bezahlbarer Wohnraum“. Und Bauen ist teuer! In manchen Städten kommt hinzu, dass überhaupt keine Flächen mehr zur Verfügung stehen, um Neues zu bauen.
Daher haben wir uns auf die Suche gemacht nach Ideen und kreativen Lösungen und sind an verschiedenen Stellen fündig geworden.
Was sind mögliche kreative Lösungen zur Behebung der Wohnungsnot und für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in den Kommunen?
Nutzung bestehender Wohnflächen
Einliegerwohnungen aktivieren: Vielerorts stehen Einliegerwohnungen leer, da erwachsene Kinder ausgezogen sind. Mit entsprechenden Beratungsangeboten, können solche Wohnungen wieder dem Markt zugeführt werden.
Wohnungstauschbörsen: Den Wohnungstausch zwischen Mietern fördern, um Wohnraum effizienter zu nutzen. Leute, die in Wohnungen wohnen, die zu groß geworden sind (zum Beispiel durch den Auszug der Kinder) tauschen mit Familien, die mehr Platz benötigen, die Wohnung. (Ein schönes Beispiel für Wohnungstauschbörsen gibt Freiburg.)
Tinyhaus im Garten: Kurzfristig Abhilfe könnte die Bereitschaft von Gartenbesitzern sein, ihren Garten für Tinyhouses zur Verfügung zu stellen.
Hausumbauten: Kurzfristige Abhilfe könnte auch ein Umbau von Häusern bringen, zum Beispiel wenn man bestehende Einfamilienhäuser umbaut in Zweifamilienhäuser oder bestehende, bisher unbewohnte Flächen wie unter dem Dach nutzt und diese zu Wohnraum ausbaut.
Nutzung von Leerständen: In vielen Städten stehen sogar Wohnungen und Wohngebäude leer. Kommunen und Städte sollten aktiv Leerstände identifizieren und schauen, wie diese Wohnungen wieder genutzt werden können.
Umnutzung von Bestandsgebäuden
Umwandlung von Gewerbe und Büroflächen in Wohnraum: Leerstehende Bürogebäude oder auch leerstehende Einzelhandelsflächen, Hotels, Kirchen, ehemalige Verwaltungsgebäude und Kaufhäuser können in Wohnraum umgewandelt werden.
Konversion militärischer Anlagen: Ehemalige Kasernen oder militärische Liegenschaften bieten Potenziale für Wohnraumbeschaffung.
Nachverdichtung und Aufstockung: Bestehende Häuser können mit einer zusätzlichen Etage aufgestockt werden, zum Beispiel mit einer Leichtbaukonstruktion aus Holz. Auch Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Parkhäuser können aufgestockt werden. Gemäß einer Studie der TU Darmstadt von 2016 könnten allein 400.000 Wohneinheiten entstehen, indem man den eingeschossigen Einzelhandel, Discountern und andere Märkten aufstockt und das bei Erhalt der Verkaufsflächen.
Innovative Wohnformen
Tiny Houses: Kleine, oft mobile Häuser können auf ungenutzten Grundstücken oder in Hausgärten aufgestellt werden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen.
Co-Living und gemeinschaftlichtes Wohnen: Wohnprojekte, bei denen Bewohner Gemeinschaftsräume teilen, fördern sozialen Austausch und reduzieren Wohnkosten.
„Wohnen für Hilfe“: Jüngere Menschen, beispielsweise Studierende, wohnen bei älteren Personen und unterstützen diese im Alltag. Dafür erhalten Sie eine günstige ode gar kostenfreie Wohnmöglichkeit. Beide Seiten profitieren.
Mehrgenerationen-WGs: Mehrgenerationen-Wohngemeinschaften können bezahlbaren Wohnraum schaffen und gleichzeitig soziale Isolation bekämpfen. Hie leben Menschen verschiedenen Alters zusammen und teilen Wohnraum und Alltagsaufgaben.
Beteiligung und Selbsthilfe
Organisierte Gruppenselbsthilfe: Gemeinschaften bauen gemeinsam Wohnhäuser, wobei durch Eigenleistung Kosten gespart werden. Organisierte Gruppenselbsthilfe im Wohnungsbau hat eine lange Tradition und ist in vielen Ländern eine übliche Form des Wohnungsbaus. In Deutschland liegen die Wurzeln am Beginn des 20. Jahrhunderts und in der Wohnungsnot nach den beiden Weltkriegen.
Ein schönes Beispiel dafür ist das „Collegium Academicum“ in Heidelberg. Hier haben Studierende ein eigenes Wohnheim gebaut und damit das Problem des knappen bezahlbaren Wohnraums selbst in die Hand genommen. Heute wohnen im Collegium Academicum rund 180 Leute, die sich hier selbst verwalten. Die Mietkosten werden niedrig gehalten, indem alle Bewohner und Bewohnerinnen Aufgaben in der Verwaltung und Instandhaltung übernehmen. (Link und Link.)
Wohnungsbaugenossenschaften: Durch gemeinschaftlichen Besitz und Selbstverwaltung können Mietkosten niedriggehalten und Spekulation vermieden werden.
Sweat-Equity: „Schweiß statt Eigenkapital“ bzw. „Wohnen mit Eigenleistung“ beschreiben eine Form des Wohnungsbaus, bei der zukünftige Eigentümer einen Teil des Kaufpreises, der Baukosten oder der Renovierungskosten durch ihre eigene Arbeitsleistung erbringen. Das kann gemeinschaftlich geschehen oder auf bei Einzelobjekten. Viele Bauherren nutzen dieses Modell um Geld zu sparen. Internationale Beispiele zeigen, dass das auch in größerem Umfang funktioniert, wie beispielsweise Habitat für Humanity, die nach dem Hurrikan Katrina an der Golfküste der Vereinigten Staaten wirkten.
Weitere Möglichkeiten
„Gemeindebau“: Der Begriff „Gemeindebau“ wird in Österreich und speziell in Wien für eine Form des kommunalen sozialen Wohnungsbaus verwendet. Die Stadt Wien hat damit eine über 100-jährige Erfahrung, ca. 220.000 Gemeindewohnungen und ist somit die größte Hausverwaltung Europas. https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeindebau
Für das Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ soll das Beispiel Wiens dafür stehen, dass Kommunen eigenen Wohnungsgesellschaften gründen und betreiben und so Einfluss auf das Angebot an bezahlbarem Wohnraum als auch auf die Mietpreisentwicklung nehmen können. Sie haben damit gleichzeitig Einfluss darauf wie teuer gebaut wird. Insbesondere das Ausschalten der (berechtigten!) Verdienstinteressen der Investoren und Bauträger dürfte zu einer Senkung der Kosten führen.
Modulares und serielles Bauen: Beim modularen Bauen werden vorgefertigte Bauelemente verwendet, was Bauzeiten verkürzt und Kosten senkt. Beim seriellen Bauen werden wiederholt standardisierte Elemente verwendet. Das können einzelne Bauteile sein oder auch ganze Häuser, die in Serie hergestellt werden. Niedrigere Kosten bei der Herstellung von Wohnraum können zu niedrigeren Mieten und damit bezahlbarem Wohnraum führen.
Experimentelle Stadtentwicklung: Experimentierklauseln im Baurecht erlauben es Kommunen, neue Wohnkonzepte außerhalb der standardisierten Vorgaben zu erproben.
Letztendlich gehören da auch weitere Maßnahmen für kostengünstigen Wohnraum dazu, die in Fachkreisen weitgehend bekannt sind. Es mangelt eher an einer breitenwirksamen Umsetzung sowie die politischen und regulatorischen Rahmenbedingungen. Das Fraunhofer-Informationszentrum Bau hat 2023 in einer Querschnittsstudie Forschungsarbeiten der letzten 15 Jahre zusammengefasst und veröffentlicht.
Digitalisierung im Bauwesen: Ein Aspekt aus der Fraunhofer-Studie ist die Digitalisierung im Bauwesen. Der Einsatz von Building Information Modeling (BIM) und digitalen Bauanträgen können Planungs- und Bauprozesse effizienter gestalten, Kosten senken und die Transparenz erhöhen.
„Jung kauft Alt“: In Hiddenhausen bei Bielefeld wurde ein zukunftsweisendes Modell zur Stadtentwicklung ins Leben gerufen. Der Hintergrund: Die Gemeinde wollte verhindern, dass bei einer schrumpfenden Bevölkerung neue Baugebiete am Ortsrand entstehen, während die alten Ortskerne verwaisen – etwa weil ältere Bewohner versterben oder in Pflegeeinrichtungen ziehen. (Link)
An einem Runden Tisch entwickelten Wohnungsbaugesellschaften, Makler, Architektinnen, Planer und Banken gemeinsam mit der Kommune ein alternatives Konzept: Statt auf neue Baugebiete zu setzen, entstand das Programm „Jung kauft Alt“. Es unterstützt junge Familien finanziell beim Kauf eines mindestens 25 Jahre alten Hauses innerhalb der bestehenden Ortslage. Wer zusätzlich in energetische Sanierung investiert, erhält weitere Fördermittel.
Das Konzept überzeugt: Mehr als 50 Städte und Gemeinden in ganz Deutschland haben „Jung kauft Alt“ inzwischen übernommen.
Public private Partnership: Durch Kooperationen zwischen Kommunen und Privatwirtschaft können Ressourcen gebündelt und effizienter genutzt werden, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die öffentliche Hand stellt dabei beispielsweise Grundstücke zur Verfügung, während private Investoren den Bau übernehmen.
Fazit
Durch Kreativität, flexible Ansätze, innovative Planung, gemeinschaftliches Engagement, die Aktivierung bestehender Ressourcen und gezielte Fördermaßnahmen kann man effektiv bezahlbaren Wohnraum schaffen und damit der Wohnungsnot entgegenwirken. Durch Kombination verschiedener Strategien kann man flexibel auf die lokalen Bedürfnisse reagieren und nachhaltige Wohnlösungen entwickeln. Man muss also nicht Bauen, es gibt noch andere Möglichkeiten!
Weitere Quellen:
- https://kommunal.de/kreative-ideen-gegen-leerstand
- https://www.ef.de/blog/language/tipps-fur-studenten-die-kreativsten-wohnlosungen-fur-eine-neue-zeit
- www.diakonie.de/informieren/blog/julia-zillinger/2025/kreative-wohnloesungen-gemeinsam-gegen-wohnungsnot-klimawandel-und-einsamkeit
- https://fastercapital.com/de/thema/herausforderungen-f%C3%BCr-bezahlbaren-wohnraum-und-ihre-auswirkungen-auf-gemeinschaften.html
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