Die Stadt Tokio in Japan zählt wie Vancouver, Kopenhagen, Singapur und anderen zu den saubersten Städten der Welt. Wie ist Tokio eine der saubersten Städte geworden? Wer hat das veranlasst? Was waren die Pläne? Welche konkreten Maßnahmen haben letztendlich zum Erfolg geführt? Was können wir von Tokio lernen für unsere eigenen Städte?
Mit knapp 10 Millionen Einwohner für die Stadt und rund 37 Millionen Einwohnern für den Ballungsraum Tokio ist Tokio die größte Stadt der Welt. Gleichzeitig ist Tokio eine der saubersten Metropolen der Welt – trotz der enormen Bevölkerungsdichte und intensivem, hektischem städtischen Leben.
Tokio will bis zum Jahr 2050 eine klimaneutrale, nachhaltige und lebenswerte Stadt werden. Die ambitionierten Ziele stehen in engem Einklang mit den Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Zur Erreichung ihrer Ziele, arbeitet die Stadtverwaltung eng mit ihren Bürgern, mit Unternehmen, Universitäten und anderen Akteuren zusammen.
Was sind nun also die wesentlichen Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass Tokio zu einer so sauberen Stadt wurde?
1. Politischer Wille und frühzeitige Initiativen
Die Grundlage für Tokios Sauberkeit wurde in der Nachkriegszeit gelegt. Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Stadt mit schweren Zerstörungen und hoher Verschmutzung zu kämpfen. In den 1950er und 1960er Jahren realisierte die Stadtverwaltung wie wichtig eine saubere Umgebung für das Wohlbefinden der Bevölkerung und für das Wirtschaftswachstum ist und begann mit Planungen für eine saubere Stadt. Damals wurde der Grundstein für die Entwicklung gelegt und der heute erreichte Stand ist das Ergebnis jahrzehntelanger, systematischer Bemühungen von Regierung, lokaler Verwaltung, Industrie und Bevölkerung.
Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg: Nach dem Zweiten Weltkrieg führten die vielen Trümmer und Abfall zu massiven Gesundheitsproblemen. In den 1950er Jahren begann die Stadtregierung mit der Durchführung umfangreicher Aufräumaktionen, um die Verschmutzung zu reduzieren und die öffentliche Gesundheit zu schützen.
Politische Führer und Planung: In den 1960er Jahren führte die damalige Stadtregierung wichtige Reformen zur Verbesserung der Stadtinfrastruktur und der Sauberkeit ein. Die Regierung investierte in moderne Abfallentsorgungstechnologien, um die Lebensqualität der Bürger zu erhöhen und die Stadt für internationale Ereignisse wie die Olympischen Spiele 1964 vorzubereiten.
2. Effektives Abfallmanagement
Ein hochentwickeltes Abfallmanagement ist das zentrale Element von Tokios Sauberkeit. Trotz der enormen Bevölkerungsdichte und des hektischen Lebensstils hat Tokio ein effektives System zur Abfallbeseitigung und -verwertung aufgebaut.
Strenge Mülltrennung: Ein sehr strenges System der Mülltrennung erwartet von allen Haushalten und Betrieben, dass der Müll in verschiedene Kategorien wie Papier, Kunststoff, Glas, Lebensmittelabfälle und Restmüll getrennt wird. Dazu gibt es detaillierte Anweisungen darüber, wann und wie der Müll abgeholt wird. Verstöße gegen diese Regeln werden mit Bußgeldern belegt.
Regelmäßige Müllabholungen: In Tokio gibt es für jede Art von Abfall spezielle Abholtage, und die Müllabholung erfolgt pünktlich und regelmäßig. Der Müll muss vor der Abholung in Plastikbeuteln oder spezifischen Behältern verpackt sein, was dazu beiträgt, die Straßen sauber zu halten und die Verbreitung von Abfall zu minimieren.
Müllvermeidung durch Wiederverwertung: Die Stadt hat Programme eingeführt, um Abfall zu reduzieren und die Wiederverwertung zu fördern. Recycling ist ein integraler Bestandteil der Kultur in Tokio, und Unternehmen sowie Privatpersonen sind gesetzlich verpflichtet, ihre Abfälle zu sortieren und zu recyceln.
3. Bewusstseinsbildung und kulturelle Faktoren
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Sauberkeit in Tokio ist die starke Kultur des Respekts vor der Gemeinschaft und des kollektiven Verantwortungsbewusstseins.
Gesellschaftliche Normen: In Japans Gesellschaft ist tief verwurzelt, dass jeder Bürger für die Sauberkeit seines Umfeldes verantwortlich ist. In Tokio ist es nicht nur üblich, den eigenen Müll mit nach Hause zu nehmen, sondern es wird auch erwartet, dass öffentliche Räume und Straßen sauber gehalten werden. Dieses kulturelle Bewusstsein für Sauberkeit ist ein wichtiger Faktor, der das Verhalten der Bürger prägt.
Öffentliche Aufklärung: Die Stadt Tokio betreibt umfassende Bildungs- und Aufklärungskampagnen, um den Bürgern das richtige Abfallverhalten beizubringen. Diese Kampagnen beginnen bereits in den Schulen, wo Kinder von klein auf lernen, wie man Müll trennt, reduziert und recycelt.
Saubere Straßen durch Eigeninitiative: In Tokio ist es üblich, dass Anwohner und Geschäftsinhaber nicht nur ihre eigenen Grundstücke, sondern auch die umliegenden öffentlichen Bereiche reinigen. Diese Eigeninitiative trägt zur Sauberkeit der Stadt bei und schafft eine Atmosphäre der Verantwortung.
4. Technologische Innovationen
Tokio nutzt moderne Technologien zur Abfallentsorgung und zur Verbesserung der Sauberkeit der Stadt.
Automatisierte Müllentsorgungssysteme: Die Stadt Tokio nutzt fortschrittliche Technologien, die eine effiziente Müllbeseitigung gewährleisten. Beispielsweise gibt es unterirdische Mülldepots, die den Abfall automatisch sammeln und in bestimmte Verarbeitungszentren transportieren. Dieses System hilft, die Straßen sauber zu halten und verhindert, dass Müll herumliegt.
Fortschrittliche Müllverbrennung und Energiegewinnung: Tokio nutzt fortschrittliche Müllverbrennungsanlagen, um den Abfall effizient zu verarbeiten. Die Verbrennungsanlagen erzeugen dabei auch Energie, was zur Nachhaltigkeit beiträgt. Gleichzeitig reduzieren sie die Menge an Abfall, die auf Deponien landet.
5. Strikte Abfallentsorgungsrichtlinien
In Tokio gelten klare und strenge Regeln zur Abfallentsorgung, die von der gesamten Bevölkerung strikt eingehalten werden müssen.
Wegwerfprodukte minimieren: Die Stadt fördert aktiv die Minimierung von Wegwerfprodukten und Einwegplastik. So gab es in den letzten Jahren vermehrt Initiativen, um die Verwendung von Einwegverpackungen und Plastikbeuteln in der Öffentlichkeit zu reduzieren. Beispielsweise bieten Supermärkte und Einzelhändler oft wiederverwendbare Taschen an. Zudem gibt es Programme, die Unternehmen dazu ermutigen, weniger Abfall zu produzieren.
Verhaltensregeln für den öffentlichen Raum: In Tokyo wird die öffentliche Sauberkeit sehr streng ausgelegt. So gilt in öffentlichen Verkehrsmitteln vor allem für Essen, aber auch für Trinken ein generelles Tabu. Nur auf Langstreckenverbindungen gibt es ausgewiesene Waggons oder Bereiche, in denen Essen und Trinken erlaubt ist.
In öffentlichen Verkehrsmitteln, aber auch für Straßen und Parks, gibt es klare Anweisungen, wie Abfälle zu entsorgen sind. Öffentliche Mülleimer fehlen in vielen Bereichen, sodass die Menschen ihre Abfälle selbstverständlich mit nach Hause nehmen.
6. Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Regierung und Unternehmen
Die Sauberkeit Tokios ist auch das Resultat einer engen Zusammenarbeit zwischen den Bürgern, der Stadtverwaltung und lokalen Unternehmen.
Unternehmensinitiativen: Viele Unternehmen in Tokio, insbesondere die großen Einzelhändler und Gastronomiebetriebe, haben Programme zur Müllvermeidung und -trennung entwickelt, um ihre Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Dies umfasst sowohl das Recycling von Verpackungsmaterialien als auch die Verwendung umweltfreundlicherer Produkte.
Gemeinschaftliche Aufräumaktionen: Regelmäßig werden von der Stadt und von lokalen Gemeinschaftsorganisationen Initiativen zur Stadtverschönerung und Abfallbeseitigung organisiert, bei denen Bürger aktiv mithelfen, öffentliche Plätze zu reinigen.
Ergebnisse und Auswirkungen
Durch diese umfassenden Maßnahmen hat Tokio es geschafft, eine der saubersten Metropolen der Welt zu werden, obwohl die Stadt mit einer enormen Bevölkerungsdichte und intensiver urbaner Aktivität konfrontiert ist. Die Maßnahmen zur Abfallvermeidung und -beseitigung, die starke Kultur der Sauberkeit und die effektive Zusammenarbeit zwischen der Regierung, den Unternehmen und der Bevölkerung haben zu einem nachhaltigen, sauberen urbanen Umfeld geführt.
Auf dem Weg dorthin haben sicherlich zwei mal die Olympischen Spiele ihren Beitrag geleistet. Zum einen die olympischen Spiele im Jahr 1964, die einen intensiven Schub gaben, als lebenswerte Stadt und somit auch beim Thema Sauberkeit voranzukommen. 2021 fanden die Spiele dann erneut in Tokio statt und betonten im Besonderen die Themen
Nachhaltigkeit und Recycling. Durch strenge Trennung von Abfallarten und gezielte Recycling-Maßnahmen wurde ein Großteil des Abfalls wiederverwertet, und die Spiele galten als klimaneutral.
Tokio ist in Bezug auf Sauberkeit ein Vorreiter und für viele ein Vorbild. Oft berichten Reisende von dem Schock-Moment, wenn sie aus Japan kommend, wieder heimischen Boden betreten und den Unterschied sehen. S. Krishnan Kutty berichtet beispielsweise in thejapantimes: “Every time I returned to my country after spending a year in Japan, I used to get a shock when I saw the difference. Some people think that cleanliness is an expensive business, but I feel it takes more care than money to practice cleanliness. One only has to see places like Japan.“
Insgesamt hat die Kombination aus strengen Vorschriften, technologischen Innovationen, gesellschaftlicher Verantwortung und einer tief verwurzelten Kultur des Respekts, Tokio zu einer der saubersten Städte der Welt gemacht.
Quellen und weiterführende Links:
- Tokyo Metropolitan Government – Waste Management: Informationen über das Abfallmanagementsystem und Recyclingprogramme in Tokio:
https://www.english.metro.tokyo.lg.jp/directory-of-bureaus/environment - https://waste-management-world.com/artikel/discarded-electronic-devices-upcycled-into-olympic-medals/
- https://www.sueddeutsche.de/leben/urbanes-leben-das-verschwinden-der-muelleimer-1.5002291
- https://www.japandigest.de/alltag/verhalten/japanische-muelltrennung/
- https://www.fluter.de/reinkultur
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