Future City: Konzeptstadt Telosa

Wie werden wir in Zukunft wohnen? In welchen Städten wollen wir wohnen? Wie soll sich unsere Stadt weiterentwickeln? Das sind Fragen, mit denen sich Stadtplaner, Baufachleute und Kommunalpolitiker befassen, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die sich in Initiativen gemeinsam Gedanken und Vorschläge machen für die Entwicklung ihrer Stadt.

Interessant kann es werden, sich die Utopien und Konzepte anzuschauen, die sich Menschen zum Beispiel aus der Wissenschaft machen oder auch Ideen, die manch ein Mensch mit viel Geld in die Welt trägt.

Konzeptstadt Telosa

Ein solches Konzept ist die Idee zu Telosa, einem geplanten Stadtprojekt in den USA. Initiiert wird das Projekt von dem Unternehmer und Milliardär Marc Lore und entworfen unter der Leitung von Bjarke Ingels, einem renommierten dänischen Architekten. Die Stadt soll auf Grund auf neu entstehen und eine Modellstadt für gerechtes, nachhaltiges und technologisch fortschrittliches Leben sein.

Telosa soll auf einer Fläche von ca. 600 Quadratkilometern entstehen mit potenziellen Standorten in den amerikanischen Bundesstaaten Nevada, Utah, Idaho, Texas, Arizona oder der Appalachenregion. Dabei wird gezielt nach Land in Wüstengegeneden gesucht, da man hier das Land preiswert erwerben kann. Die Stadt ist geplant, um bis 2050 fünf Millionen Einwohner zu beherbergen. Die ersten 50.000 Einwohner sollen bis 2030 einziehen.

Der Name Telosa leitet sich vom griechischen Wort ‚telos‘ ab. Dieser Begriff entstammt der griechischen Philosophie und bedeutet so viel wie „Zweck“ oder „Ziel“ bzw. „höchstes Ziel“. Telos ist die Quelle für das moderne Wort „Technologie“. In der Rhetorik bezieht sich der innere „Telos“ auf das persönliche Engagement und die Leidenschaft, die für ein Thema empfunden wird. Dem Konzeopt nach, spielte wohl beides eine Rolle. Die Stadt Telosa soll ein neues Modell für urbanes Leben werden, die soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und technologische Innovation vereint.

Städtebauliches Konzept

Das städtebauliche Konzept sieht verschiedene Kernelement für Telosa vor:

  • Die 15-Minuten-Stadt: Alle wichtigen Einrichtungen des alltäglichen Lebens wie Arbeitsplätze, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, medizinische Versorgung etc. sollen innerhalb von 15 Minuten zu Fuß oder mit den Fahrrad erreichbar sein.
  • Verkehr: Wege zu Fuß und Radfahren werden priorisiert. Hin zu kommen autonome Elektrofahrzeuge sowie ein Verbot von Fahrzeugen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden innerhalb der Stadtgrenzen.
  • Energie und Umwelt: Es werden erneuerbare Energiene genutzt, Wasser wird recycelt, zur Versorgung wird aeroponische Landwirtschaft betrieben und eine grüne Infrastruktur zur Förderung der Biodiversität wird aufgebaut und erhalten.
  • Die Gebäude sollen in Holzbauweise, in modularen Systeme und mit recycelbaren Materialien gebaut werden. Gebäude habe klimaregulierende Fassaden, natürliche Belüftungssysteme und sind nach hohen Energieeffizienzstandards gebaut.
  • Lebensqualität im Fokus: Das Konzept sieht eine Mischung aus urbanem Leben und der Natur vor. Nicht der Fokus auf die „autogerechte Stadt“ sondern eine „menschenzentrierte Planung stehen im Fokus des Konzepts
  • Soziales und wirtschaftliches Modell: Die Stadt wird nach dem dazu entwickelten Konzept ‚Equitism‘ betrieben, mit dem Ziel eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. (Das Konzept wird im Folgenden noch genauer beschrieben). Als Symbol für Equitism bzw. das wirtschaftliche Modell der Stadt steht der geplante Equitism-Tower, ein zentrales Hochhaus mit Photovoltaik, Wasserreservoirs und vertikalen Farmen etc.

Was ist die Vision für Telosa?

Die Vision für Telosa ist der Bau einer völlig neuen Stadt, die sozialen Ausgleich, ökologische Nachhaltigkeit und wirtschaftlichen Fortschritt miteinander verbindet. Sie soll damit als Modell der Stadt der Zukunft dienen bzw. ein Reallabor für ein neues urbanes und soziales Modell für das Leben miteinander sein..

Gerechte Gesellschaft

Ein wichtiges Kernelement der Vision ist die „gerechte Gesellschaft“, für die der Begriff des ‚Equitism‘ kreiert wurde. Hierbei gehört das Land einer öffentlichen Stiftung und damit nicht in der Hand von privaten Investoren, die damit ihr Geld vermehren wollen. Für interessierte Einwohner heißt das, dass sie voraussichtlich Wohnungen mieten, sie aber nicht den Grund und Boden kaufen. Die generierten Einnahmen und entstehenden Wertzuwächse, zum Beispiel durch neue Infrastruktur oder steigende Nachfrage, fließen in öffentliche Zwecke, etwas für Bildung, Gesundheit, Mobilität oder soziale Angebote. Das Ziel dabei ist, dass Bodenwertgewinne der Gemeinschaft zugutekommen und nicht einzelnen Investoren. Spekulation, Gentrifizierung und soziale Spaltung sollen vermieden werden.

Imagine living in a city with an economic system in which citizens have a stake in the land; as the city does better, the residents do better.
We call this Equitism.

Zur gerechten Gesellschaft gehört auch die soziale Nachhaltigkeit. Dazu gehören

  • eine Mischung aus Wohnformen,
  • Bildung, Gesundheit und Mobilität sind öffentlich finanzierte Güter
  • Das Flächenwachstum der Stadt steht im Einklang mit der demografischen Entwicklung

Ökologische Nachhaltigkeit

Telosa soll ökologisch nachhaltig sein. Das heißt, es wird zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt. Das heißt Strom wird mit Photovoltaik und Wind generiert, ggf. unterstützt mit Wasserstoff. Gebäude werden energieeffizient gebaut und mit smarten Steuerungssystemen versehen. Wasser wird recycelt und Grauwasser wiederverwendet. Abfall wird nach Möglichkeit vermieden und Kreislaufsystemen zur Ressourcennutzung eingerichtet.

Die Mobilität erfolgt CO2-neutral. Der Fokus liegt auf autonomen Fahrzeugen und öffentlichem Verkehr, im Zentrum der Stadt soll es keinen individuellen PKW-Verkehr geben. Fuß- und Radwege haben Vorrang und der Verkehr wird intelligent gesteuert.

Grünflächen sind weit verbreitet und überall zugänglich. 30 bis 40 Prozent der verfügbaren Fläche sind als öffentlich zugängliches Grünland geplant. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln erfolgt u.a. durch die Integration urbaner Landwirtschaft, zum Beispiel auf Dachgärten, in Gewächshäusern oder in vertikalen Farmen. Die Artenvielfalt, die Biodiversität und lokale Ökosysteme sollen gefördert und bewahrt werden

Technologischer Fortschritt

Telosa will technologischen Fortschritt gezielt nutzen, um Lebensqualität, Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit zu verknüpfen und zu fördern. Dabei steht nicht Technik um der Technik willen im Vordergrund, sondern ihr Einsatz als Werkzeug zur Stärkung von Gemeinwohl, Effizienz und Nachhaltigkeit. Die Stadt soll „intelligent“ im Sinne einer lernenden, kooperativen, transparenten und gerechten Stadt sein.

Kernelemente des technologischen Fortschritts sind:

  1. Smart City-Infrastruktur; diese nutzt Echtzeitdaten für Energie, Verkehr, Wasser, Abfall etc., hat Sensoren zur Überwachung der Umweltqualität (z.B. Temperatur, Luftqualität, Lärm, etc.) und nutzt eine intelligente Verkehrssteuerung und Energieverteilung.
  2. Autonome, emissionsfreue Mobilität durch flächendeckenden Einsatz autonomer E-Shuttles, die On-demand über Apps genutzt werden können. Vorrang haben Fußgänger und Radfahrer.
  3. Erneuerbare Energien und smarte Netze werden genutzt. Solar- und Windenergie wird mit Smart Grid-Tehnologien gemanagt, intelligent gespeichert und Lasten intelligent verteilt. Gebäude verbnrauchen Energie und können auch Energie für das Netz liefern („Prosumer“-Modell).
  4. Digitale Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen wird durch digitale Plattformen ermöglicht. Auch Abstimmungen finden darüber statt. Es gibt Feedback-Systeme, die auf einfachen Wegen Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger an ihre Stadt sammelt und weitergibt. Öffentliche Daten und Informationen zu Infrastruktur, Finanzen und Stadtentwicklung werden transparent zur Verfügung gestellt, dass eine Beteiligung von allen möglich ist.
  5. Modulare, vernetzte Gebäude, die mit hohem Digitalisierungsgrad vorgefertigt werden, die Gebäudesteuerung für Luft, Licht, Energie, Wärme, Kälöte, Sicherheit etc. erfolgt intelligent. Das Ziel sind flexible Wohn- und Arbeitslösungen mit verschiedenen Wohnformen und shared Spaces.
  6. Gesundheit und Bildung. Die Gesundheitliche Versorgung erfolgt über Telemedizin und smarte Diagnosezentren. Es gibt digitalisierte Bildungsanagebote mit personalisierten Lernpfaden. Community-Hubs bieten zum einen Technologen für den Zugang zu diesen Angeboten und gleichzeitig die Möglichkeit, sich zu treffen und zu versammeln.

Zeitplan der Stadtentwicklung

Das Projekt wurde 2021 angekündig, 2030 soll die erste Bauphase mit Platz für 50.000 Einwohner abgeschlossen sein und 2050 soll die Stadt mit einer Bevölkerung von fünf Millionen Menschen weitgehend abgeschlossen sein.

Die Finanzierung des Projekts in Höhe von geschätzt insgesamt 400 Milliarden US-Dollar, soll durch private Investoren, philantropische Beiträge sowie stattliche Fördermittel erfolgen. Für die erste Bauphase ist ein Kapitalbedarf in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar eingeplant.

Vorteile des Telosa-Konzepts

  • Nachhaltigkeit: Integration erneuerbarer Energien, umweltfreundliche Mobilität, grüne Infrastruktur.
  • Soziale Gerechtigkeit: Durch das Equitism-Modell profitieren alle Bewohner von der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Stadt.
  • Innovative Stadtplanung: Modulares Design ermöglicht effiziente Erweiterungen und Anpassungen.
  • Lebensqualität: Fokus auf Gemeinschaft, Bildung, Gesundheit und Kultur.

Kritikpunkte und Herausforderungen

  • Finanzierung: Die enorme Investitionssumme wirft Fragen zur Realisierbarkeit und Rentabilität auf.
  • Standortwahl: Die geplanten Wüstenstandorte stellen Herausforderungen hinsichtlich Wasserverfügbarkeit und Infrastruktur dar.
  • Soziale Integration: Die Schaffung einer neuen Gemeinschaft ohne gewachsene soziale Strukturen könnte soziale Spannungen mit sich bringen.
  • Vergleichbare Projekte: Andere geplante Städte wie Neom in Saudi Arabien zeigen, dass solche Megaprojekte oft mit Verzögerungen und Kritik konfrontiert sind.

Lehren für die Stadtentwicklung in Deutschland und Europa

Dafür können spannende Lehren für die Stadtentwicklung bei uns gezogen werden, zumal die einzelnen Elemente allesamt nicht neu sind, sondern in anderen Foprmen bereits verwirklicht wurden.

  • Ganzheitliche Planung: Integration von ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer Gerechtigkeit und technologischer Innovation von Anfang an.
  • Bürgerbeteiligung: Frühzeitige Einbindung der Bevölkerung in Planungsprozesse zur Förderung der Akzeptanz.
  • Flexibilität: Modulare und anpassungsfähige Stadtstrukturen ermöglichen Reaktionen auf zukünftige Herausforderungen.
  • Ressourcenschonung: Nutzung bestehender Infrastrukturen und Förderung der Nachverdichtung statt Neuentwicklung auf der „grünen Wiese“.

Wer steckt dahinter?

Aktuell gelten Marc Lore und Bjarke Ingels als Initiatoren des Projektes.

Marc Lore

Marc Lore hat sein Vermögen hauptsächlich durch erfolgreiche E-Commerce-Unternehmen verdient. Er hat 2005 das Unternehmen Diapers.com mitgegründet, ein auf Babyprodukte spezialisierter Online-Handel. Dieses Unternehmen wurde 2011 für ca.. 545 Mio US-Dollar an Amazon verkauft. 2014 hat Lore Jet.com gegründet und wollte damit Amazon durch niedrigere Preise Konkurrenz machen. Dieses Unternehmen hat er 2016 für rund 3,3 Mrd US-Dollar an Walmart verkauft und wurde nach dem Verkauf bei Walmart U.S. CEO für die Commerce-Sparte, wo er die Online-Strategie des Einzelhandelsriesen modernisierte. Diese Deals machten ich zum Milliardär. Seither ist Lore als Investor tätig, investiert in verschiedene Unternehmen sowie in Visionen wie Telosa.

Marc Lores Motivation für das Projekt Telosa ist stark mit seiner Vision eines gerechten Kapitalismus verbunden. So soll der durch steigende Bodenwerte generierte Wohlstand der Gemeinschaft und nicht privaten Investoren zugutekommen. In Telosa soll daher das Land gemeinschaftlich verwaltet werden und die Gewinne in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur fließen. Dadurch sollen alle Menschen – unabhängig von Herkunft oder Einkommen – gleichartige Startbedingungen haben.

Für ihn ist Telosa der Versuch, ein völlig neues Gesellschaftsmodell zu entwickeln, welches soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie wirtschaftlichen Fortschritt miteinander zu vereinen. Telosa soll so als Blaupause für zukünftige Städte dienen, die Klimaschutz, Lebensqualität und Teilhabe mit einer in Einklang bringen.

Lore betont, dass er das Projekt nicht kurzfristig monetarisieren will, es sei ein Lebenswerk mit dem er einen nachhaltigen Beitrag leisten möchte.

Bjarke Ingels

Bjarke Ingels ist Gründer des renommierten Architekturbüros BIG (Bjakre Ingels Group). Er ist bekannt für innovative, kreative, nachhaltige und funktionale Architektur. In seinen Projekten kombiniert er technische Innovation, Umweltfreundlichkeit und futuristisches Design und nutzt Architektur zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen. Dabei verfolgt er den Ansatz von „hedonistischem Nachhaltigkeitsdesign“ wonach Nachhaltigkeit nicht Verzicht bedeutet sondern Lebensqualität steigern soll.

Bedeutende Projekte waren u.a. 8 House, Amager Bakke, der Google Campus, The Spiral, Oceanix und andere. (Die Projekte sind jeweils verlinkt und bieten weitere spannende städtebauliche Impulse!)


Quellen:

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